Eigentlich erschien die Teilnahme an der „Narrenmesse“ in der St. Antonius-Basilika, ausgerichtet vom Comitee Düsseldorfer Carneval – kurz CC genannt –  mehr eine karnevalistische Pflichtveranstaltung denn als eine wirklich beeindruckende Demonstration echt empfundenem Brauchtumsverständnisses.

 

So machten sich also auch die Närrischen Lohauser auf nach Bilk, um an diesem Termin teilzunehmen. Nach einer kurzweiligen U-Bahnfahrt betrat die Abordnung der Närrischen Lohauser die imponierende Basilika St. Antonius, welche durch ihre signifikante Ausprägung des Kreuzganges in ihrer Architektur schon zu ehrfürchtigem Ruhigsein gemahnte. Und dann: beim Eintritt in das imponierende Gebäude erfüllte nicht – wie üblich – erwartungsvolles Wortgeklingel die Eintretenden, sondern die Klänge von Georg Friedrich Händels Largo aus dem Messias mahnten die Eintretenden zu Ehrfurcht und Stille.

In den Kirchenbänken lagen Liedtexte aus, die zum Mitsingen – und auch Mitbeten animieren sollten – und dies auch eindrucksvoll manifestierten: alle Lied- und Gebetstexte waren auf jut Düsseldörper Platt jehalten on jeschrieve.

Fragen, Irritation, Erstaunen oder heimisch fühlen, leichte Unsicherheit breitete sich bei den Besuchern aus Lohausen aus.

Ungewohnt! Spannend! Geheimnisvoll!

Und dann, ziemlich fremd, ungewöhnlich, eigentlich unpassend: vier-vierteltaktige Marschmusik in einem Sakralbau !!! Die Fahnenabordnungen der unzähligen Düsseldorfer Winterbrauchtumsvereine – selbstverständlich auch die der Närrischen Lohauser – bezogen achtunggebietende Stellung im Chor der beeindruckenden Basilika.

Der stellvertretende Stadtdezernent der katholischen Glaubensgemeinde Düsseldorf, Ansgar Puff – ein Schelm, der Böses dabei denkt –  begrüßte die vielen, vielen Gäste (Gläubigen?), bevor das erste, gemeinschaftlich gesungene Lied angestimmt wurde: erstaunlich, eine populäre Weise, die in den ausgehenden siebziger Jahren zum ersten mal auf einem evangelischen Kirchentag(!) erklungen war. Hier, und an diesem Tag, auf heimeligem Düsseldörper Platt, gesungen mit Liebe aus hunderten von karnevalistischen Kehlen. Das beeindruckte.

Und dann trat Pfarrer Paul-Ludwig Spiess an das Mikrofon. Leise, ohne übertrieben-pastorale Gestik, in sich und in seines Herren Schoß ruhend, vermochte er sofort durch seine Lesung des Wortes Gottes alle Anwesenden auf dieses Wort zu konzentrieren. Und er spannte den Bogen. Das mitunter missverstandene Wort der Ökumene – Gemeinsamkeit der Christen – vermochte Pfarrer Spiess in diesem Moment mit Leben zu füllen. Geschickt spielte er dem Baas der Düsseldorfer Mundartfreunde, Mario Tranti, eine rhetorische und semantische Vorlage zu, welcher dieser gekonnt nutzte, um die Bedeutung des heimatlichen Brauchtums – gleichgültig ob Sommer oder Winter – unmissverständlich jedem der aufmerksam lauschenden Zuhörer ins Bewusstsein zu rufen. Und das in unserem geliebtem Heimatidiom – dem Düsseldörper Platt. Wohl dosiert darauf hinweisend, das im Brauchtum alle Jesuskinder friedlich vereint sind.

Und weil es bis dahin schon so schön war gestatten Sie, verehrter Leser, ein ganz klein wenig Schwelgerei: dem leidenschaftlichen und überzeugenden Bekenntnis zu unserer Heimatstadt, unseren Brauchtümern und unserem gemeinsamen Glauben folgte eine wunderschöne Verbindung zwischen dem Sommer- und dem Winterbrauchtum. Verpackt unter dem unscheinbaren Titel „I pray for the Power of Love“ erklang ein Musikstück, welches Brauchtumskundige nach wenigen Takten als den wunderschönen Choral Ludwig von Beethovens „Ich bete an die Macht der Liebe“ identifizierten. 

Richtig erkannt. Dieser Choral ist seit der Heeresreform General von Moltkes unverzichtbarer Bestandteil des „Großen Zapfenstreiches“. Und dieser wiederum gehört unverbrüchlich zum Abschluss eines jeden Schützenfestes.

Also: Brücke Sommer- zum Winterbrauchtum überzeugend geschlagen.

Jedoch, dieser Wort-Gottesdienst wurde noch intensiver, erlebbarer, gefühlstreibender.

Pfarrer Paul-Ludwig Spies vermochte es, mittels einer unnachahmlich einfühlsam vorgetragenen Geschichte, Ökumene vorzuleben und darzustellen, nachvollziehbar zu machen, ohne Doktrin, Engstirnigkeit, Verbissenheit, missverstandener Pseudo-Religiosität, falsch verstandener Ideologie, einfach versöhnend human und mit großer menschlicher Wärme.

Diese Geschichte soll hier nicht erzählt werden, weil diese Erzählung so wunderschön ist, dass die Närrischen Lohauser alles daransetzen werden, diese Geschichte in würdigem Rahmen irgendwann allen Lohausern zur Kenntnis zu geben.

Nachdem die größte, gänsehaut-treibende Hymne der Christen des großen, zu lobenden Gottes in einem gewaltigen Crescendo das mächtige Gotteshaus erfüllte, wurde Pfarrer Paul-Ludwig Spiess abschließend mit der Leo-Statz-Plakette ausgezeichnet.

Leo Statz war in den Dreißiger Jahren ein bekannter und geachteter Düsseldorfer Brauchtumsfreund und Unternehmer, der Lieder schrieb, sich im Brauchtum engagierte und den Nationalsozialisten kritisch-ablehnend gegenüberstand und diese Abneigung immer wieder unmissverständlich deutlich machte. Frohnatur, welcher Leo Statz der Überlieferung nach war, schrieb er ein lustiges, fröhliches, leichtes Karnevals-Liedchen mit dem Titel „Duze, Duze, Duze mich“ welches die bornierten NS-Parteigenossen als nicht hinnehmbare Karikatur auf den verbündeten, ebenso einfältigen italienischen Faschistenführer Mussolini empfanden: „Duce, Duce, Duce“. Leo Statz wurde am 01. September 1943 durch einen Mitarbeiter seiner Firma bei der GeStaPo denunziert, es kam zur Anklage und Verhandlung vor dem berüchtigten Volksgerichtshof unter Vorsitz des -so weiss man heute – rechtsbeugenden Vorsitzenden Roland Freisler, welcher Leo Statz zu Tode verurteilte. Dieses Urteil wurde am 23. September 1943 vollstreckt.

Gut, das wir bei allem noch zu Verbesserndem heutzutage in Zeiten leben, in welcher Persönlichkeiten wie dieser wunderschöne Geschichten erzählende Geistliche Paul-Ludwig Spiess in Gedenken an Männer und Frauen wie Leo Statz verdientermaßen geehrt werden können.

So fand ein unerwartet wunderschöner Nachmittag für die Närrischen Lohauser ein nachdenklich-fröhliches Ende in der Gewissheit, im nächsten Jahr diese Andacht als Bestandteil des Närrischen Lohauser Lebens wahrzunehmen.

In diesem Sinne, ein Dreifach fröhliches

Lohausen Helau.   

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